Kollaborative Mobilität ist ein gesellschaftliches Phänomen mit Zukunft. Doch um was geht es dabei eigentlich? Alain Brügger, Mitarbeiter der Mobilitätsakademie und Projektleiter von wocomoco, gibt Antwort auf diese Frage und spricht über einen aufstrebenden Mobilitätssektor.
Kurz in ein paar
Sätze gefasst, worum geht es bei der “Kollaborativen Mobilität“? Wo sehen Sie
Vorzüge; wo gibt es Verbesserungspotential?
Generell verstehe ich unter dem Begriff „Kollaborative
Mobilität“ einen Mobilitätsstil, bei dem das Teilen von Verkehrsmitteln im
Zentrum steht. Es geht also um altbekannte Ideen wie Carsharing (Mietautos) oder
Fahrgemeinschaften (mehrere, sich oftmals fremde Personen teilen sich dasselbe
Fahrzeug und die Benzinkosten). Es zählen aber auch ausgefallenere Konzepte wie
der Fahrradverleih (in vielen Schweizer Städten kann ich ganz einfach und günstig
ein Fahrrad mieten und bin somit nicht auf die öffentlichen Verkehrsmittel der
Stadt angewiesen) oder die flexible Parkplatzvermietung dazu.
Die Vorteile solcher Mobilitätslösungen liegen gerade beim motorisierten
Personenverkehr klar auf der Hand. Teilen führt hier zu einer effizienteren Fahrzeugnutzung
und somit indirekt zu einer Entlastung des Strassennetzes. Wussten Sie, dass
z.B. in Zürich ein Leihfahrzeug bis zu 10-14 Privatfahrzeuge ersetzen kann?
Gewöhnen sich die Leute erst an den Gedanken des Autoteilens, könnten zuparkierte
Quartierstrassen und Blechlawinen schon bald der Vergangenheit angehören.
Zudem werden derzeit in mehreren Untersuchungen die
positiven Effekte der „Kollaborativen Mobilität“ auf die Umwelt (Reduktion der
CO2-und Lärmemissionen) geprüft und auch die Möglichkeit Kosten zu
sparen, ist ein zentraler Punkt. Im Schnitt wird ein Auto in Privatbesitz
weniger als eine Stunde am Tag bewegt. Den Rest der Zeit steht es auf einem
Parkplatz und altert. Wenn ich mein Auto also an eine Drittperson vermiete,
dann „arbeitet“ es für mich in der Zeit in der ich es nicht nutze und bringt
mir zusätzlich Geld ein. Da die bekannten Anbieter solcher
Privatauto-Tauschbörsen auch Versicherungslösungen in ihre Geschäftsmodelle mit
eingearbeitet haben, gehe ich dabei übrigens keinerlei Risiken ein.
Was tut sich aktuell
auf dem kollaborativen Mobilitätsmarkt und wie sehen Sie die Zukunft dieses Sektors?
Viele dieser kollaborativen Mobilitätskonzepte sind nicht
neu sondern erleben zurzeit ein Comeback. Mitverantwortlich hierfür sind
sicherlich die rasanten Entwicklungen im Bereich der
Telekommunikationstechnologie. Besonders Smartphones vereinfachen die
Kombination verschiedener Mobilitätslösungen und werden zunehmend als
Organisationswerkzeuge eingesetzt.
Momentan erlebt vor allem das Carsharing einen Aufschwung. Weltweit
gibt es viele neue Anbieter, die sich in diesem Bereich zu etablieren versuchen.
Gleichzeitig bauen bereits existierende Anbieter ihre Angebote weiter aus oder testen
neue Geschäftsmodelle. In Zukunft werden hier Themen wie Elektromobilität oder Einfachfahrten,
also dynamisches Carsharing ohne festgelegte Auto-Rückgabe-Standorte, den
Diskurs prägen. Etwas weniger auffallend sind die Entwicklungen bei den Fahrgemeinschaften.
Aber auch hier tauchen immer wieder neue Akteure auf der Bildfläche auf und die
Nutzerzahlen solcher Angebote steigen.
Teilen liegt im
Trend. Zudem spielen der Umweltgedanke und die Möglichkeit der Kosteneinsparung
in den Köpfen der Menschen zunehmend eine Rolle, wenn es um die Organisation
ihrer Alltagsmobilität geht. All dies führt zu einem wirtschaftlichen Umbruch.
Auch wenn das Autoteilen in naher Zukunft also nicht die oberste Maxime der
Mobilität sein wird, so glaube ich dennoch fest daran, dass es zu einem
wesentlichen Teil der Alltagsmobilität heranwächst. Somit sollte meiner Meinung
nach auch der Fokus der
Verkehrsplanung zukünftig weniger auf einzelnen Verkehrsträgern, sondern auf
einer umfassenden Lösung im Sinne einer vernetzten Mobilität, die z.B. kollaborative
Mobilitätslösungen mit der „klassischen“ Mobilität verbindet, liegen.
Welche Rolle
übernimmt die Mobilitätsakademie in der Welt der “Kollaborativen Mobilität“?
Die Mobilitätsakademie möchte sich als führendes Schweizer Kompetenzzentrum
im Bereich der „Kollaborativen Mobilität“ etablieren und zur Hauptanlaufstelle
für Fragen rund um dieses Themengebiet werden. Schwerpunkte der Aktivitäten
sind der jährlich stattfindende World Collaborative Mobility Congress „wocomoco“
und die entsprechende Begleitforschung. In Zukunft werden wir auf unserem
Webportal (siehe Link am Ende der Seite)
auch regelmässig Beiträge und Neuigkeiten rund um dieses Thema veröffentlichen.
Was erwartet die
Teilnehmer am World Collaborative Mobility Congress? Und welche Projekte und
Aktivitäten sind hinsichtlich des Themas „Kollaborative Mobilität“ zur Zeit
sonst noch am Laufen?
Mit dem World Collaborative Mobility Congress „wocomoco“ bieten
wir einem wachsenden Markt eine moderne, internationale Veranstaltung. Wir
freuen uns auf über 30 Redebeiträge von Vertretern aus sieben verschiedenen Ländern
und sind stolz unseren Besuchern ein exklusives Programm rund um das Thema „Kollaborative
Mobilität“ anbieten zu können. Nebst zahlreichen Fachvorträgen steht auch ein
Pecha Kucha Breakfast auf dem Programm, das verschiedenen Start-Up-Firmen die
Gelegenheit gibt, Kurzvorträge der etwas anderen Art zu halten.
Die Vorbereitung und Durchführung von „wocomoco“ bildet zurzeit
das Zentrum unserer Aktivitäten, wir sind aber daran, mehrere
Forschungsprojekte zu verwandten Themen einzureichen und unser Netzwerk in der
Szene weiter auszubauen. Dabei stehen wir in enger Zusammenarbeit mit dem TCS
und weiteren Akteuren aus der Schweizer Mobilitätsszene.
Das Interview führte Julia Zosso.